Alkoholismus
Vor etwa einer Woche startete ich eine Wirklichkeitsoffensive. Weg von der Virtualität, hinein ins Leben! Ich rief Lara an und fragte sie ob wir nicht etwas unternehmen können. Wir trafen uns in Düsseldorf in der Altstadt und gingen zu einer Diskothek. Bis in die frühen Morgenstunden tanzten wir. Lara ist ziemlich genial, was das Tanzen angeht. Ich komme mir dagegen wie ein dicker Seehund vor, der versucht zu tanzen. Sieht bestimmt lustig aus, wenn man 112kg in Tanzbewegung umsetzt! Aber es kommt auf den Versuch an. Mollige tanzende Männer sind eine wahre Rarität und ich bin gern eine Rarität. Gegen 6 Uhr verließen wir die Disko. Ich stieg mit Lara in die S-Bahn ein. Dann entdeckten wir eine hilflose Person, der zwischen den Sitzen auf dem Boden saß. Lara hat ein ziemlich großes Herz für hilflose Gestalten. Mein geübter Blick sah schon, dass es ein alkoholisierter Mann über 50 war. Sie fragte ihn, ob sie ihm helfen könnte, und er brabbelte wie ein Baby. Irgendwann musste Lara aussteigen, da sie auf dem Weg zu ihrem Freund war. Dann entdeckte ein anderer junger Mann seine Helfer-Syndrom-Qualitäten. Er quasselte ständig auf den Besoffenen ein, ob man ihm helfen könnte. Keiner von uns konnte seine Baby-Sprache verstehen. Hardcore-Alkoholiker versteht man nur, wenn man selbst besoffen ist. Das ist die universelle Esperanto-Sprache, die alle Kulturen und alle Menschen verbindet. Der Helfer-Syndrom-Mann fragte ihn, ob er einen neurologischen Ausfall hätte. Ich antwortete etwas süffisant, dass er eine ganz bestimmte Krankheit hätte. Der Alkoholiker antwortete, mit klarer Stimme, "Alkoholismus!" Das war schon echt krass. Der erste Moment wo er klar war. Danach brabbelte er wieder wie ein hilfloses Baby. Wir hievten das hilflose Baby auf den Sitz. Er war so schwer wie ein naßer Sack. Der junge Mann, der freiwilligen Dienst beim Roten Kreuz machte, rief einen Krankenwagen. Am Hauptbahnhof stieg ich aus und die Sanitäter holten den Alkoholiker ab. Ich empfand die ganze Zeit Ekel, Wut, wie man sich so gehen lassen kann, und Mitgefühl. Alkoholismus ist auch in meiner Familie ein verbreitetes Übel. Manche Menschen können das Leben mit klarem Sinn nicht leben und flüchten in eine (Alp)traumwelt. Meine Fluchtwelt war das Internet.
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deprifrei-leben - 24. Jan, 14:59